Gentests, Moral und Ethik - Segen oder Fluch für die Medizin?
Beim Thema Gentest stelle sich auch immer die Frage, inwieweit bei medizinisch hilfreichen Diagnosemethoden auch Ethik und Moral eine Rolle spielen müssen. Wann überwiegt Segen, wann überwiegen moralische Aspekte?
Mit der modernen Gendiagnostik kann die Medizin immer mehr Anlagen zu Erkrankungen im Vorfeld erkennen und erhält damit die segensreiche Chance, mit geeigneten Therapien so frühzeitig und zielgerichtet zu beginnen, dass die Erkrankung erst gar nicht ausbricht, bzw. schwere Begleiterscheinungen gemildert werden können oder ganz ausbleiben. Die Neigung zu Krebserkrankungen im Vorfeld zu diagnostizieren und dann mit engmaschigen Vorsorgeuntersuchungen einen eventuellen Ausbruch möglichst frühzeitig zu erkennen, wäre für manchen Patienten sogar lebensrettend.
Was ist aber, wenn das Ergebnis eines Gentests eine solche Veranlagung nachweist und der Betroffene möchte eine private Krankenversicherung abschließen? Wird die Versicherungsgesellschaft diesem Antrag ohne Risikoaufschlag entsprechen? Eher nicht. Im Moment ist in Deutschland die Rechtslage noch so gestaltet, dass die Versicherungsgesellschaften vor Vertragsabschluss kein Screening verlangen dürfen. Falls jedoch ein solcher Test jemals vorher durchgeführt worden war, darf die Krankenkasse das Ergebnis wissen.
Nachdem aktuell eine Versicherungspflicht in Deutschland besteht, wird es der Gesellschaft schwerfallen, einen Antragsteller mit solcher Prognose laut Gentest abzuweisen, sie wird es aber vermutlich versuchen. Lebensversicherungsgesellschaften können einen Antrag unter diesen Voraussetzungen ablehnen. Eine weitere Schwierigkeit wird unser Beispielpatient haben, wenn er auf Arbeitssuche geht, und das Gesetz dem Arbeitgeber erlauben würde, als Einstellungstest einen Gentest durchführen zu lassen, der den Grad der Krankheitsanfälligkeit bestimmen soll.
Ganz besondere Sensibilität ist bei der moralischen Beurteilung von Gentests an Ungeborenen geboten. Mithilfe solcher pränatalen gentechnischen Diagnoseverfahren kann nicht nur eine Schädigung des Fötus festgestellt werden, sondern auch eine Veranlagung zu bestimmten Krankheiten. Eine Gewissheit, dass diese Krankheit später auch ausbricht, kann nicht vermittelt werden. Auch das Geschlecht kann schon vor der 12. Schwangerschaftswoche zuverlässig erkannt werden. In diesem Zusammenhang ist die Verwendung dieser Erkenntnisse unter besonderen moralischen und ethischen Schutz zu stellen.